Vier auf einen Streich
Große Alpenradtour 2014 der Dienstagsradler Welzheim
„Auf den Spuren des Giro d´ Italia“ lautete das Motto der diesjährigen großen Alpenradtour der Dienstagsradler Welzheim.
Die Bezwingung der vier höchsten Alpenpässe der Ostalpen (Großglockner, Gavia, Stilfser Joch und Timmelsjoch, jeweils höher als 2500 Meter) in einer Tour war das Ziel des Unternehmens, eben „Vier auf einen Streich“. Hierbei wurden einige Abschnitte des diesjährigen Giro d´Ítalia unter die Räder genommen.
Hier der Bericht eines Teilnehmers:
Am Samstag, den 12. Juli starten wir um 4:30 Uhr in Richtung Göppingen, um mit dem Zug bis Rosenheim zu fahren, wo unsere Tour beginnen sollte. Pünktlich zum Start beginnt es zu regnen. Über Oberaudorf erreichen wir den „Kaiserwinkel“ in Österreich. Vorbei am Walchsee, Kössen, St. Johann, Hochfilzen (wo es wieder trocken wird) erreichen wir Saalfelden. Zell am See und Bruck werden passiert, bevor wir nach 173 km unser Tagesziel in Fusch erreichen. Am Sonntag steht mit der Großglockner-Hochalpenstraße die erste große Herausforderung auf dem Programm. Bei gutem Wetter nehmen wir den Pass in Angriff. Etwa auf halber Höhe beginnt es zu regnen und es wird spürbar kälter. Aus diesem Grund und wegen der tief hängenden Wolken verzichten wir auf die Auffahrt zur Edelweißspitze. Zügig fahren wir weiter zur Passhöhe am Hochtor, wo uns wieder trockenes Wetter erwartet. Nach einer flotten Abfahrt mit kurzer Pause in Heiligenblut setzen wir unsre Fahrt in Richtung Drautal fort. Iselsberg und Gailbergsattel werden locker bezwungen. Mit dem Plöckenpass steht zum Tagesabschluss noch eine weitere Prüfung auf dem Programm. Bella Italia empfängt uns an diesem Tag in grau statt azzur. Die Abfahrt im Regen bis zum Tagesziel in Timau, welches wir nach 130 Km und 3400 Höhenmetern erreichen, erfordert noch einmal unsere volle Konzentration.„Campione dell mondo – complimenti!“ Mit diesen Worten empfängt uns unser Gastgeber am Morgen nach dem WM – Finale zum Frühstück.
Steil – steiler – Zoncolan.
Vier Pässe müssen am Montag bezwungen werden. Nach einer kurzen Einrollstrecke wagen wir den Aufstieg auf den Monte Zoncolan. Die ersten 7 Km werden bei einer Steigung um 10% mühelos bewältigt. Dann ist Schluss mit lustig! Nach drei Km mit durchschnittlich 16% und einzelnen Abschnitten um 20% Steigung erreichen wir den Gipfel. Wir befinden uns nun an einer Kultstätte des italienischen Radsports, an der schon oft der Giro d´ Italia entschieden wurde. Bei der Abfahrt auf der anderen Seite ist volle Konzentration gefordert, denn diese Seite ist noch steiler als der Aufstieg zuvor. Nach langer Anfahrt zur Forcella Lavardet beginnt der Schlussanstieg zur Sella Ciampigotto, wo wir wieder von einem heftigen Regenguss erwischt werden. Auf der Passhöhe beraten wir uns über das weitere Vorgehen. Das gesamte Unternehmen steht kurz vor dem Scheitern, wenn das Wetter nicht bald besser wird. Wir entschließen uns zur Abfahrt im strömenden Regen und erreichen völlig durchnässt und durchgefroren das Tal bei Pieve di Cadore. Wir können es kaum glauben. Es hat aufgehört zu regnen. Beim Blick nach oben ist tatsächlich blauer Himmel zu sehen, es scheint die Sonne. Hier verlassen wir die karnischen Alpen und erreichen mit dem Anstieg zum Passo Cibiana die Dolomiten. Nach einer warmen Abfahrt erreichen wir unser Tagesziel in Forno di Zoldo. 125 km und 3500 Hm stehen heute auf dem Tacho. Dienstag, 15. Juli. Wieder vier Pässe, 127 Km, aber „nur“ 2750 Hm liegen vor uns. Fast ein Ruhetag. Nach kurzer Einrollstrecke bei herrlichem Sommerwetter und guter Stimmung erreichen wir das Bergdorf Dont. Wir folgen dem Wegweiser zum Passo Duran und haben schlagartig andere Sorgen. Eine Rampe mit 15% stellt sich uns in den Weg. Diese Steigung hält über längere Zeit an.- „Wer hat diese Strecke nur geplant“?- Langsam wird es flacher und die Quälerei hat auf der Passhöhe ein Ende. Ein kleines Mädchen winkt uns vom Straßenrand zu. „Ciao bella“! Ich muss an Julius denken, meinen Enkel, und bin sofort wieder motiviert. Jetzt nur kein Risiko auf der Abfahrt. Ab Agordo folgt der lange Anstieg zum Passo Valles, den wir uns anfangs mit starkem Autoverkehr teilen. Ab Falcade wird es ruhiger und wir erreichen die Passhöhe ohne nennenswerte Probleme. Die letzten 60 Km bis zum Tagesziel in Kaltern rollen wir bis auf zwei Gegenanstiege locker bergab. Mittwoch, 16. Juli. Die „Königsetappe“ steht auf dem Programm. Vom Start weg steigt die Straße mit angenehmen zu fahrenden 8% auf den Mendelpass, den wir mit mäßigem Tempo befahren. Wohl wissend was an diesem Tag noch auf uns wartet. Auf halber Höhe kündigt dumpfes Grollen, das rasch näher kommt, Unheil an. Etwa vierzig Ducati Desmo ziehen an uns vorbei. Dann kehrt wieder Ruhe ein. Nach Überquerung der Passhöhe genießen wir eine lange Abfahrt ins „Val di Non“. Entlang eines malerisch gelegenen Stausees rollen wir durch Weinberge und Apfelplantagen, bevor wir bei Revo wieder auf die Hauptstraße treffen. Durchs „Val di Sole“ liegt nun die 50 Km lange Auffahrt zum Passo Tonale vor uns. Auf der Passhöhe gönnen wir uns eine Pause zur Stärkung. Nach schneller Abfahrt biegen wir in Ponte di Legno nach Norden ab und nehmen mit der Auffahrt zum Passo Gavia den zweiten der großen vier Pässe unter die Räder. Trotz einer durchschnittlichen Steigung von 10% und einigen Abschnitten von 14% gehört dieser Aufstieg von 15 Km zu einem der schönsten der Alpen. Auf der Passhöhe, unserem Tagesziel, stehen 110 Km und 3800 Hm auf den Tacho. Die Abendstimmung in dieser hochalpinen Region (2652m) sowie das Ambiente im Rifugio Bonetta, waren sicher der Höhepunkt der gesamten Tour.
Der Donnerstag beginnt mit einer 30 Km langen Abfahrt vom Passo Gavia nach Bormio. Hier beginnt der Aufstieg zum zweithöchsten Pass der Alpen, dem Stilfser Joch, auch „Königin der Passstraßen“ genannt. Anfangs zieht sich die Straße bei mäßiger Steigung nach oben. In einem wilden Hochgebirgstal werden einige Tunnels durchfahren. Danach beginnt der steilste und spektakulärste Teil der Auffahrt. Über zahlreiche Kehren gewinnen wir in einem Steilhang mit phantastischen Ausblicken rasch an Höhe. Über eine weitere Kehrengruppe, in der das Atmen wegen der großen Höhe deutlich schwerer fällt, erreichen wir schließlich den höchsten Punkt unserer Tour auf 2758m Höhe. Hier bietet sich dem Betrachter ein grandioses Panorama. Der höchste Berg der Ostalpen, „König Ortler“ steht mit seinen 3905m unmittelbar neben uns. Nun gilt unsere ganze Konzentration der 26 Km langen Abfahrt die, wegen ihrer 48 Kehren und der Steilheit, Vergnügen und Anstrengung gleichermaßen ist. Als Zugabe wird an diesem Tag noch die Vinschgauer Höhenstraße bezwungen, von wo man wiederum prächtige Ausblicke auf die Ortlergruppe genießen kann. Das Tagesziel in Latsch ist nach 110 Km und 2300 Hm erreicht. Freitag 18. Juli. Die letzte Etappe steht bevor. Über den Etschtalradweg rollen wir leicht bergab, durchfahren Meran und erreichen schließlich St. Leonhard im Passeiertal. Nun beginnt das „Finale furioso“. Vor uns liegen lange und steile 29 Km und 1825 Hm. Das Timmelsjoch gehört somit zu den schwersten, aber auch schönsten Pässen der Alpen. Die Steigungswerte bleiben im unteren Streckenabschnitt im einstelligen Bereich. Bei der Ortschaft Moos ändert sich dies aber schlagartig. Über mehrere Km bleibt die Steigung konstant bei ca. 12%. Nach der Durchfahrt mehrerer Tunnels lichtet sich der Mischwald immer mehr und wir erreichen einen längeren flachen Abschnitt, der etwas Zeit zur Erholung bietet. Die letzten zehn Km fordern nochmals unsere letzten Kraftreserven. Mehrere Kehren schichten sich in einem furchterregenden Steilhang übereinander und überwinden die letzten 1000 Hm. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl steigt in uns hoch als wir uns auf der Passhöhe gegenseitig beglückwünschen. Wir haben es tatsächlich geschafft, die vier höchsten Pässe der Ostalpen in einer Tour zu bezwingen. Die lange Abfahrt durchs Ötztal bis zum Endziel in Ötz ist nur noch reine Formsache. Die entscheidende Frage am Abend: „Was macha mr nägscht Johr“?
Samstag 19. Juli. Wir erleben eines der letzten großen Abenteuer: Die Rückfahrt mit der Bahn in die Heimat! Aber das ist eine andere Geschichte.
An der Tour beteiligt waren: Thomas Dupont, er hatte den größten Rucksack; Kenneth Marte, der beste Bergfahrer; Dieter Schick, der schnellste Abfahrer; Albrecht Seitz, stark auf jedem Terrain und Experte für Navigation; Michael Leitner, repariert alle Schäden und sorgt als Schlussfahrer dafür, dass keiner verloren geht; Werner Munz, der Initiator, Streckenplaner und Schreiber dieser Zeilen.
Zahlen, Daten Fakten:
Gesamtlänge der Tour: 950 Km
Anzahl der Pässe: 18
Gesamthöhenmeter: 20000
Fahrzeit: 49 Stunden
Verbrauchte
Energie: ca. 45000 kcal und 50 Liter Bier Flüssigkeit / Teilnehmer
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